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Perspektiven

Heulen allein reicht natürlich nicht, es muss auch einen Ausblick geben.

Dieser Ausblick ist subjektiv gefärbt, klar. Er bezieht sich auch nur auf die Schulstufe, in der ich unterrichte, d.h. auf die Sekundarstufe II. Hierbei ist es egal, ob es sich um eine allgemeinbildende oder eine berufsbildende Schule handelt, die wichtigsten Grundprobleme sind die gleichen.

Die Seite
ist im Moment etwas lang. Ich teile sie bei Gelegenheit mal auf.

Die Ausbildung

I) Die Ausbildung der SekII-Lehrer ist zu lang. Die deutschen Lehrer sind also alt, wenn sie in den Schuldienst eintreten. Europaweit sind wir die Spitzenreiter, und das mit einigem Abstand. Das hohe Eintrittsalter hat zur Folge, dass wir uns schnell von der Lebenswelt unserer Schüler entfernen und relativ lange Zeit eher zur Großeltern- als zur Elterngeneration der Schüler gehören.

II) Die Ausbildung der SekII-Lehrer ist zu lang. Die Bezahlung muss deshalb notwendigerweise so hoch sein wie sie momentan ist. Den Bekloppten möchte ich sehen, der diese lange Ausbildung macht - man muss schließlich die Referendarzeit mit einbeziehen - und sich dann mit deutlich weniger Gehalt begnügt. Man ist als SekII-Lehrer bei Berufsbeginn typischerweise 28 Jahre alt, im berufsbildenden Bereich eher 30.

III) Die Klage über den zu starken Theoriebezug ist bekannt und wohl auch richtig. Wir brauchen an den Schulen keine verhinderten Mathematikprofessoren oder Germanisten sondern Lehrer; in der SekII ist das IMHO übrigens primär der Wissenvermittler und Ansprechpartner und erst sekundär der "Erziehende".

IV) Die Ausbildung ist zu einseitig auf den Lehrberuf ausgerichtet. Wenn man in der Referendarzeit bemerkt, dass man für den Beruf ungeeignet ist, hat man keine sinnvolle Ausweichmöglichkeit.

Folgerungen:

  • Das Studium muss zweistufig aufgebaut sein:
    • Zunächst wird ein Bachelorstudium in einem Fach absolviert (im Prinzip ein reines Fachstudium).
      Diese bietet einen berufsqualifizierenden Abschluss und gibt dem, der es sich in diesen gut drei Jahren anders überlegt, eine Chance, einen anderen Berufsweg einzuschlagen.
    • Daran schließt sich ein Masterstudium an.
      Hier erfolgt die schulpraktische Ausbildung (Lehrproben inclusive, klar) mit den dazu gehörenden theoretischen Grundlagen (etwa 60% der Zeit)
      Außerdem werden in einem zweiten Fach grundlegende Kenntnisse erworben.
    • Es ist klar, dass hier keine beliebigen Kombinationen möglich sind, sondern sinnvolle Kombinationen vorgeschrieben werden. Problemlose Kombinationen sind z.B.
      Bachelor Chemie, Zweitfach Mathe o. Physik o. Biologie,
      Bachelor BWL Zweitfach VWL o. Gesellschaftslehre / Geschichte / Sozialwissenschaften,
      Bachelor Germanistik, Zweitfach Gesellschaftslehre / Geschichte, usw.
    • Bezüglich der Prüfungsberechtigungen in Bildungsgängen, die zum Abitur führen, sind möglicherweise Restriktionen erforderlich.
    • Bestimmte Fächer müssen möglicherweise als Ein-Fach-Studien absolviert werden (Musik?/Kunst?/Sport?)
  • Eine separate Referendarzeit entfällt. Nach spätestens einem halben Jahr ist ohnehin klar, welcher Referendar für den Lehrerberuf geeignet ist und wer es nie lernt. Die restlichen 1 1/2 Jahre sind für die geeigneten Kandidaten die reine Zeitverschwendung und für die ungeeigneten zusätzlich eine Quälerei.
  • Wenn man während des Masterstudiums feststellt, dass man die falsche Berufswahl getroffen hat, kann man mit einem vergleichsweise geringen Zeitverlust ein anderes Masterstudium beginnen.
    (Wenn man nach einem Jahr Masterstudium wechselt, hat man ein Jahr verloren. Wenn man während der Referendarzeit wechselt, hat man fünf oder sechs Jahre verloren)
  • Die Eingangsbesoldung kann deutlich abgesenkt werden, da sich diese - vernünftigerweise - sehr stark an der Ausbildungsdauer orientiert.
  • Ein Nachteil ist aber sicher, dass eine spätere Festlegung auf den Lehrerberuf die momentane Tendenz weg von diesem Beruf verstärken würde, da während des Bachelorstudiums Alternativen zum Lehramt deutlicher werden.
    (Den Todesstoß für die Attraktivität des Berufs wäre die Abschaffung des - sachlich nicht gerechtfertigten - Beamtenstatus. Die Bezahlung, das Image oder die Arbeitsbedingungen locken sicher keinen ins Lehramt.)
  • Ein möglicher Nebeneffekt einer solchen Ausbildung ist die geringere Theorielastigkeit des Studiums, was die verhinderten Wissenschaftler aus den Schulen heraushalten würde.
  • Und komme mir keiner mit dem albernen Argument, die Studenten müssten sich von Beginn an innerlich auf den Lehrerberuf einstellen. Der Anteil an sog. Seiteneinsteigern, d.h. Leuten ohne Lehrerausbildung, steigt und wird weiter steigen, da die Zahl der Lehramtsstudenten in vielen Fächern und Schulstufen völlig unzureichend ist. (Ich rate von einem Lehramtsstudium auch dringend ab, obwohl mir das Unterrichten immer noch Spass macht.)
Es hat übrigens
nicht zur Folge, dass die Zahl unserer Dienstjahre geringer ist als bei unseren europäischen Kollegen, da diese selten länger als bis zum 60. Lebensjahr unterrichten - siehe EURYDICE.

Die Organisation der Arbeit

I) Die Arbeitszeit insgesamt kann in etwa auf dem momentanen Niveau bleiben (ca. 45 Stunden pro Woche, ferienbereinigt). Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Besoldung insgesamt nicht noch weiter abgesenkt wird, da man sich sonst in Bereichen wiederfindet, in denen außerhalb des öffentlichen Dienstes eine Arbeitszeit von 37,5 bis 40 Stunden gilt und nicht mehr die 40+x des akademischen Arbeitsmarkts.

II) Ein Jahresarbeitszeitmodell ist anzustreben. Alternativ sind fächerspezifische Arbeitszeiten einzuführen. Es ist nicht einzusehen, wieso ein z.B. Sportlehrer ohne Korrekturen die selbe wöchentliche Unterrichtsverpflichtung hat wie ein Deutschlehrer, der pro Jahr 300 bis 600 Stunden korrigiert (und Korrigieren ist der ödeste Teil des Jobs, glauben Sie mir. Und noch was: ich bin kein Deutschlehrer!).

III) Es gilt eine Präsenzpflicht in der Schule von 32 bis 35 Stunden pro Woche. Während der Zeit außerhalb des Unterrichts sind v.a. folgende Tätigkeiten zu erledigen:
Qualitätssicherung:   Diese lässt sich erreichen durch die gegenseitige Kontrolle von Aufgabenstellungen bei Klausuren, gemeinsame Korrektur von Klausuren, gegenseitige Unterrichtsbesuche von Fachkollegen auch anderer Schulen
Innovation: Gemeinsames Entwickeln von Unterrichtskonzepten, komplexen Übungsaufgaben/Lernaufgaben, Ausarbeiten von Musterstunden (z.B. Einstieg in die Differentialrechnung), ...
Betreuung: individuellere Betreuung von Schülern: Hausaufgaben, Wiederholung mit schwächeren Schülern, Förderung von leistungsstärkeren Schülern, allgemeine Beratung, ...

Solche Aufgaben sind in vielen anderen Ländern üblich.
Allerdings gibt es zwei Wermutstropfen, und das ist eben in anderen Ländern auch üblich:

IV) Den Lehren sind die entsprechenden Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Rechnet man pro Lehrer für die Bereitstellung der Räumlichkeiten und Sachmittel 10.000 Euro, so sind dafür bundesweit etwa 8 Mrd. Euro notwendig bei jährlichen Folgekosten von vielleicht 1 Mrd. Euro.
(Wenn man die Räume erst schaffen muss, kann auch leicht die drei- bis vierfache Summe rauskommen.)

V) Die Unterrichtsverpflichtung ist auf das europäische Normalmaß zu reduzieren. Das bedeutet in der SekII ca. 20-21 statt 25,5 Stunden pro Woche. (Für die SekI können sie mal bei EURYDICE nachlesen: ca. 22 statt momentan 28)
Hierzu ist eine Erhöhung der Lehrerzahl um etwa 25% notwendig. Problematisch ist hier sicher die Finanzierung, fast unmöglich die "Beschaffung" der entsprechenden Lehrer, da schon der Ersatz der altersbedingt ausscheidenden Lehrer in vielen Fächern nicht gewährleistet ist.

VI) Sanfter Ausstieg aus dem Beruf: ab 50 J. 19 Wochenstunden, ab 55 J. 17-18 WStd., ab 60 J. 15-16 WStd. bei gleicher Anwesenheitspflicht in der Schule.
Man kann dann die Hoffnung haben, dass die Zahl der Frühpensionierungen gegen Null geht. Die Variante volle Kanne bis 65 bei restriktiver Handhabung der Frühpensionierung hat zugegebenermaßen einen deutlichen Spareffekt, da man vielen Lehrern dann die Altersbezüge im Durchschnitt nur über einen relativ kurzen Zeitraum zahlen muss (siehe rechts).

Zum Beispiel
Vorbildliche Berufsauffassung des ehemaligen Rektors unserer Grundschule: Herzinfarkt am Abend der Verabschiedung, Tod nach 8 weiteren Monaten.
Das spart!
(Das ist kein Witz, das war wirklich so. 2004!)
 
       
 
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    last update: 03.01.2005